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Hitzestress
Der Klimawandel ist längst in der Schweiz angekommen. Die veränderten Klima- und Wasserregime verändern die Wasserverfügbarkeit, was weitreichende Konsequenzen auf die Wassernutzung und die Gewässerlebensräume hat. Wir zeigen, wie Abflussmengen, Grundwasserneubildung oder Restwasserstrecken im Wandel sind und mit welchen konkreten Massnahmen die Folgen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt bewältigt werden können.
Überdurchschnittlich warme und trockene Sommer häufen sich aufgrund des Klimawandels. Unter solchen Bedingungen wird Wasser zur begehrten und zeitweise knappen Ressource. Besonders gut zu beobachten war dies 2022 entlang des Hochrheins zwischen Bodensee und Kraftwerk Rheinau.
Den Rheinfall stürzten statt der im Sommer durchschnittlichen 600 000 weniger als 300 000 Liter Wasser pro Sekunde hinab. Der Schiffverkehr wurde zeitweise eingestellt. Landwirt:innen, die ihr Bewässerungswasser nicht aus dem Rhein, sondern aus kleineren Zuflüssen beziehen, sahen sich mit Entnahmeverboten konfrontiert. Beim Bodenseeausfluss in Stein am Rhein stieg die Wassertemperatur teils auf über 27 Grad. Um die Fischbestände zu retten, mussten Notmassnahmen ergriffen werden. Und von all dem scheinbar unberührt durfte das noch nicht restwassersanierte Kraftwerk Rheinau auch weiterhin grosse Teile des Flusswassers zur Stromproduktion in den Kraftwerkskanal ausleiten.
Diese Aufzählung der durch Hitzestress verursachten Probleme liesse sich fortsetzen und macht doch deutlich: Extreme Bedingungen wie im Jahr 2022 setzen unsere Gewässer, deren Nutzer:innen und die darin lebenden Arten massiv unter Druck. Angesichts der knapper werdenden Wasserressourcen in den Sommermonaten stellt sich also die Frage, wie die verschiedenen Nutzungsansprüche an unsere Gewässer zu managen sind, ohne dass wir deren Funktion als Lebensraum für Tiere und Pflanzen weiter beeinträchtigen. Oder etwas plakativer: Wie schaffen wir es, unseren Flüssen ausreichend von dem zu belassen, was ihre Eigenheit ausmacht: Wasser.
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Wasserressourcen-management nach Schweizer Art: gestern – heute – morgen
Der Klimawandel zwingt uns immer mehr, systematisch mit der beschränkten Ressource Wasser umzugehen. Wie hat sich der Schweizer Weg des Wasserressourcenmanagements seit der Jahrtausendwende entwickelt und wohin könnte die Reise gehen?
Wasserstress für Mensch und Natur
Prognosen für die Zukunft zeichnen ein problematisches Bild: Während die Abflussmengen im Sommer aufgrund von verminderten Niederschlägen, höherer Verdunstung und der Abnahme des Gletscher- und Schneeschmelzwassers sinken, steigt der Bewässerungsbedarf für verschiedene Kulturen. Und auch die Tiere in Flüssen und Bächen brauchen Wasser: Restwasserstrecken von Kleinwasserkraftwerken weisen eine geringere Vielfalt an Makrozoobenthos auf und Forellen sind dort magerer. Hinzu kommt, dass sich Fliessgewässer mit Niedrigwasser schneller erwärmen, was zusätzlichen Stress auf kälteliebende Fischarten ausübt. Dadurch dürften in Zukunft vermehrt Entnahmeverbote ausgesprochen werden.
Restwasserstrecken und Grundwassernutzung in Zeiten des Klimawandels
Die Gewässer der Schweiz bieten eine grosse Vielfalt an Lebensräumen und weisen einen enormen Artenreichtum auf. Gleichzeitig sind die verfügbaren Wasserressourcen bedeutend für die Nutzung durch Landwirtschaft, Industrie und Energiegewinnung. Doch vor allem während heissen und trockenen Perioden kommen sowohl die Wassernutzung als auch die Gewässerökosysteme an ihre Grenzen.
Mehr Restwasser für die Biodiversität in Schweizer Flüssen
Restwasserstrecken führen oft zu wenig Wasser, um geeigneten Lebensraum für Wasserlebewesen zu bieten. Durch den Klimawandel wird sich diese Problematik weiter verstärken.
Grundwasser und Klimawandel
Ein Grossteil unseres Trinkwassers stammt aus Grundwasser. In der Schweiz stehen die Grundwasserressourcen aufgrund des Klimawandels vor grossen Herausforderungen.
Aqua Viva Positionen: Die Grundlagen schützen
Obwohl die Schweiz als «Wasserschloss Europas» über grosse Wasserressourcen verfügt, kommt es regional und zeitlich begrenzt immer wieder zu Phasen mit eingeschränkter Wasserverfügbarkeit. Aufgrund des Klimawandels könnten diese zukünftig noch häufiger auftreten und länger andauern. Um die wachsenden Ansprüche an unsere Gewässer – beispielsweise im Kontext der landwirtschaftlichen Bewässerung – mit deren Lebensraumfunktion für Tiere und Pflanzen in Einklang zu bringen, bedarf es daher noch grosser Anstrengungen.
Aqua Viva fordert die konsequente Umsetzung der gesetzlichen Restwasserbestimmungen, statt diese zu sistieren oder aufzuweichen.
Vielen Schweizer Flüssen fehlt es an Wasser. Die wichtigsten Gründe dafür sind Wasserentnahmen für die Stromerzeugung und landwirtschaftliche Bewässerung. Ganze Bäche oder Flüsse verschwinden, verkommen zu Rinnsalen und verlieren ihren Charakter als Fliessgewässer. Damit verbunden sind enorme ökologische Schäden: Fehlende Abflussdynamik, gestörter Geschiebehaushalt, mangelnde Vernetzung und höhere Wassertemperaturen führen zu einem dezimierten Artenbestand nicht nur der Fische. Auch in alpinen Gewässern ohne Fischvorkommen leiden Insekten, Amphibien, Vögel und viele weitere Arten. Beeinträchtigt werden zudem das Landschaftsbild und der Wert der Gewässer für Erholungssuchende.
Aqua Viva fordert mehr Zug bei der Gewässerrevitalisierung und ein klares Bekenntnis zum Schutz der letzten unberührten Gewässerlebensräume.
Ökologisch intakte Gewässer und Feuchtgebiete können sich besser den veränderten Klimabedingungen anpassen und ihre natürlichen Funktionen auch bei Hitze und Trockenheit länger aufrechterhalten. So sorgen beispielsweise Bäume und Büsche am Uferrand für die Beschattung des Gewässers und reduzieren damit eine weitere Erhöhung der Wassertemperaturen durch direkte Sonneneinstrahlung. Wo möglich sollten daher Gewässerlebensräume revitalisiert und die letzten unberührten Gewässer in ihrer Natürlichkeit geschützt werden. Mit den Revitalisierungsvorgaben des Gewässerschutzgesetzes sowie den Inventaren der Biotope von nationaler Bedeutung existieren hierfür bereits gesetzliche Grundlagen – diese gilt es nun auch konsequent umzusetzen.
Aqua Viva fordert eine verstärkte Vorsorge und einen konsequenten Vollzug der gesetzlichen Grenzwerte für Pflanzenschutzmittel und Nitrat in unserem Wasser und eine Ausweitung der Grundwasserschutzgebiete.
Trockenphasen haben auch Einfluss auf das Grundwasser und dessen Zuströmbereiche. Ist weniger Wasser vorhanden, können sich Schadstoffe anreichern, was zu einem Problem für unser Trinkwasser wird. In Gebieten mit Ackerbau beispielsweise wird der gesetzliche Nitrat-Grenzwert an 40 Prozent der Messstellen überschritten. An mehr als der Hälfte aller Messstellen treten zudem Rückst.nde von Pflanzenschutzmitteln auf. Um dies zu verändern, ist es nicht ausreichend, wenn Grundwasserschutzgebiete nur unmittelbar oberhalb des Wasserfassung ausgeschieden werden. Auch die Zuströmbereiche – also jene Gebiete, aus denen 90 Prozent des Grundwassers zufliesst – müssen wir besser vor Schadstoffeinträgen schützen.
Aqua Viva fordert langfristige und strategische Brauch- und Trinkwasserplanungen auf Grundlage aktueller Daten zum Wasserverbrauch und zur Wasserverfügbarkeit durch die Kantone und den Bund.
Um während Trockenperioden unsere Gewässer zu schützen und die unterschiedlichen Wassernutzungen zu bedienen, braucht es eine Koordination der einzelnen Wasserentnahmen auf Grundlage der tatsächlichen Verfügbarkeit im Einzugsgebiet. In der Schweiz fehlt es jedoch an der hierfür nötigen Datengrundlage. So gibt es beispielsweise keine generelle Aufzeichnungspflicht zum saisonalen landwirtschaftlichen Wasserverbrauch. Die Datengrundlage ist daher sowohl auf kantonaler wie auch auf einzelbetrieblicher Ebene lückig und im schweizweiten Vergleich heterogen. Für zielgerichtete Wasserplanungen und deren Koordination auf übergeordneter Ebene braucht es zunächst gesetzlich einheitliche Aufzeichnungspflichten.
Aqua Viva fordert die Umstellung der landwirtschaftlichen Produktion auf klimaangepasste Kulturen und Produktionsweisen.
Im Sommer, bei geringen Abflussmengen und tiefen Grundwasserständen, ist der Wasserbedarf am grössten. Alle Bereiche unserer Gesellschaft sind daher dazu aufgerufen, Wasser zu sparen. Der Landwirtschaft kommt eine besondere Bedeutung zu. Bereits in den Hitzesommern 2015, 2018 und 2022 wurden in vielen Kantonen Entnahmeverbote oder -einschränkungen aus Oberflächengewässern ausgesprochen. Landwirt:innen sind also bereits heute auf trockenheitsresistente Sorten, ressourcenschonende Bewässerungsmethoden und eine kluge Standortwahl entsprechend des lokalen Wasserdargebots angewiesen. Um sie mit diesen Herausforderungen nicht allein zu lassen, braucht es noch klarere Vorgaben, zusätzliche Fördermittel und weitere Forschungsarbeiten durch den Bund, die allesamt auch auf eine Reduzierung der ökologischen Folgewirkungen landwirtschaftlicher Produktion abzielen.
Aqua Viva 2/2023
Hitzestress
In dieser Ausgabe unserer Fachzeitschrift aqua viva thematisieren wir, wie sich durch den Klimawandel die Wasserverfügbarkeit und die Wassernutzung in der Schweiz ändern und wie wir damit umgehen können.
Hintergrundinformationen
Gewässer in Zeiten des Klimawandels
Häufigere und extremere Niedrig- und Hochwasser, zu hohe Wassertemperaturen mit Fischsterben oder Gletscherschmelze – die Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Gewässer sind bereits zu spüren.
Faszinierende Vielfalt
In der Schweiz leben über 80 Prozent der bekannten 45 000 Tier- und Pflanzenarten in Gewässern und direkt anliegenden Gewässerräumen - ein Hotspot der Biodiversität. Der Klimawandel ist eine grosse Herausforderung für die Tiere und Pflanzen.
Schweizer Gewässer: Fit für die Zukunft?
Klimawandel, Pestizide und Mikroplastik, Übernutzung und Verbauung: Unsere Gewässer stehen von vielen Seiten unter Druck. Die aqua viva Ausgabe 3/2021 zeigt auf, was wir tun müssen, um unsere Gewässer zu schützen.